Lihou ist eine kleine Gezeiteninsel vor der Westküste der Kanalinsel Guernsey. Administrativ ist Lihou Teil des Parish St. Peter (also nicht Teil von Peter Port!) in der Vogtei von Guernsey, und befindet sich heute im Besitz des Parlaments von Guernsey (States of Guernsey), obwohl es in der Vergangenheit eine Reihe von privaten Eigentümern gab. Seit 2006 wird die Insel gemeinsam vom Guernsey Environment Department und dem Lihou Charitable Trust verwaltet. Früher sammelten die Einheimischen auf Lihou vor allem Seetang für dessen Einsatz als Düngemittel.

Heute hingegen wird Lihou hauptsächlich für den Tourismus (Schulausflüge inbegriffen) genutzt. Lihou ist darüber hinaus auch ein wichtiger Ort für den Naturschutz und steht zudem unter dem Schutz der Ramsar-Konvention zur Erhaltung seltener Vögel und Pflanzen. Besichtigen kann man zudem die historischen Ruinen eines kleinen Klosters und eines Bauernhauses.
Herkunft des Namens Lihou
Wie mehrere nahegelegene Inseln wie Jethou und Brecqhou enthält der Name das normannische Suffix „-hou“, was auf einen kleinen Hügel oder eine kleine Insel hindeutet. Der Name könnte sich aus den bretonischen Wörtern lydd oder ligg, was „im/nahe dem Wasser“ bedeutet, entwickelt haben. Historisch gesehen gab es auch eine Reihe von alternativen Formen des Namens, darunter Lihoumel, das bereits im 12. Jahrhundert bezeugt wurde, und Lehowe, das im 16. Jahrhundert erwähnt wurde.

Lihou ist übrigens zugleich ein häufiger Familienname auf Guernsey, wobei Aufzeichnungen darauf hindeuten, dass der Name auf den Kanalinseln seit mindestens dem achtzehnten Jahrhundert verwendet wird, einschließlich John Lihou, eines Kapitäns der Royal Navy, der den australischen Hafen Lihou Island und das Lihou Reef entdeckte und nach sich selbst benannte. Der Name ist auch weiter entfernt bezeugt, so beispielsweise auch bei Menschen, die von den Kanalinseln in die USA ausgewandert sind.
Geographie und Klima
Lihou ist der westlichste Punkt der Kanalinseln und ist bei Ebbe durch einen ungefähr 400 m langen steinernen Damm mit der nahegelegenen Landzunge L’Erée auf Guernsey verbunden. Die Insel wird eigentlich nur aus einem etwa 20 m hohen „Höhenzug“ gebildet, der in Nord-Süd-Richtung verläuft und von Kiesstränden umsäumt ist. Lihou besteht hauptsächlich aus verwittertem Gestein, unter dem Granit und Gneis zu finden sind. Die Geologie der Insel Lihou ist insgesamt recht komplex, aber eng mit dem benachbarten Guernsey verbunden. Etwa 800 Meter nördlich der Insel befindet sich unter der Wasseroberfläche ein Felsvorsprung namens Grand Etacre, der bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als Gefahr für die Schifffahrt galt.

Zwei kleine Inselchen in der Nähe der Lihous – Lissroy und Lihoumel – sind Brutplätze für eine Reihe gefährdeter Vogelarten, darunter der Austernfischer und der Sandregenpfeifer. Auf Lihou finden sich zahlreiche andere Vogel- und Pflanzenarten wie Wanderfalken und Storchschnabelgewächse. Das Guernsey Environment Department untersagt es den Besuchern, zu bestimmten Zeiten des Jahres auf die beiden Inselchen Lissroy und Lihoumel sowie den Kiesstrand von Lihou zu gehen, um die Vögel während der Brut nicht zu stören. Die Insel Lihou wurde 1989 als „Site of Nature Conservation Importance“ und als Teil eines „Important Bird Area“ identifiziert, welches Teile der Küste von Guernsey umfasst. Am 1. März 2006 wurden Lihou und die Landzunge L’Erée zu einem Teil von Guernseys erstem Feuchtgebiet unter der Ramsar-Konvention. Dieses Gebiet umfaßt insgesamt etwa 427 Hektar sowohl zu Land als auch zu Wasser. So wurde ein Reservat für die große Vielfalt der lokalen Tierwelt geschaffen, die beispielsweise mehr als 200 Algenarten und mehr als 150 Vogelarten umfasst, die in diesem Gebiet beobachtet wurden.
Die Geschichte von Lihou
Die Geschichte von Lihou ist eng mit der Geschichte der Kanalinseln im Allgemeinen und der von Guernsey im Besonderen verbunden. Die frühesten Zeugnisse der Besiedlung sind Fundstücke aus der Mittelsteinzeit, die während archäologischer Ausgrabungen in den 90er Jahren geborgen wurden, sowie Gräber aus der Jungsteinzeit auf dem nahen Guernsey. Die schriftlich belegte Geschichte von Lihou begann 933 n. Chr., als die Kanalinseln vom Herrscher der Normandie erobert wurden. Lihou und die nahegelegenen neolithischen Gräber galten im lokalen Volksglauben traditionell als Treffpunkte für Hexen und Feen, was zu Konflikten mit den kirchlichen Autoritäten führte, vor allem, als auf Lihou in der Mitte des 12. Jahrhunderts ein kleines Kloster errichtet wurde, das der heiligen Maria (im Ort bekannt als Unsere Liebe Frau von Lihou) gewidmet war und als kirchliche Institution bis ins 16. Jahrhundert bestand.

1759 ließ John West, der Gouverneur von Guernsey, das kleine Kloster zerstören, um zu verhindern, dass französische Streitkräfte die Insel während des Siebenjährigen Krieges einnehmen und dabei diese Gebäude nutzen. Im frühen 19. Jahrhundert wurde auf Lihou ein Bauernhaus gebaut und die Insel wurde als Eigentum von Eleazar le Marchant aufgeführt, der den Posten des Bailiff von Guernsey innehatte. Eleazar unternahm 1815 einen letztlich erfolglosen Versuch, den Abbau von Seetang um Lihou herum zu unterbinden, was zur damaligen Zeit das bedeutendste Wirtschaftsfeld war.

In einem im selben Jahr veröffentlichten Buch bemerkte William Berry das Vorhandensein eines „Eisenhakens eines Torscharniers“ an einigen Felsen, etwa drei Meilen von Lihou entfernt auf See, zusammen mit den Überresten alter Straßen, und vermutete, dass das Eiland in der Vergangenheit vielleicht wesentlich größer gewesen sei, aber dass das Meer einen beträchtlichen Teil davon erodiert habe. Durch das weitere 19. Jahrhundert hindurch und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wechselte die Insel immer wieder den Besitzer; Eigentümer wurden unter anderem James Priaulx im Jahr 1863, Arthur Clayfield 1883 und Colonel Hubert de Lancey Walters 1906.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Kanalinseln von 1940-1945 von der Wehrmacht besetzt, und Lihou wurde von der deutschen Artillerie als Ziel für Schießübungen genutzt, was den Einsturz des Bauernhauses zur Folge hatte. Im Sommer 1952 wurden die Ruinen des Priorats von John und Jean le Patourel eingehend untersucht. Im Jahr 1961 erwarb Oberstleutnant Patrick Wootton Lihou. Wootton hatte Pläne für die Entwicklung der Insel, beginnend im darauffolgenden Jahr mit der Rodung der Umgebung des alten Bauernhauses, um ein neues Bauernhaus zu errichten. Er organisierte Sommerlager für junge Erwachsene auf der Insel und importierte Schafe von den Orkneys, die sich von Seetang ernähren konnten. 1983 beschloss Wootton allerdings nach Kanada auszuwandern, und die Insel wurde an Robin und Patricia Borwick verkauft. Die Ruinen des kleinen Klosters können wahrscheinlich als das umfangreichste religiöse Relikt auf Guernsey gelten. In den 1990er Jahren konnten hier bei archäologischen Ausgrabungen in den Ruinen mehrere Gräber aus dem 12. bis 14. Jahrhundert freigelegt werden.
Das wirtschaftliche Standbein der Insel ist heute der ökologische Tourismus in Verbindung mit dem neu errichteten Bauernhaus, das jetzt vom Lihou Charitable Trust betrieben wird, obwohl die Gesamtverantwortung für die Insel beim Umweltministerium der States of Guernsey liegt. Lihou gab ebenso wie einige andere kleine Kanalinseln (Herm und Sark) bis 1969 seine eigenen Briefmarken heraus; dann zogen die States of Guernsey die Verantwortung für die Postdienste in der Vogtei an sich.